Der Ursprung des Veränderungsmanagements geht auf die Organisationsentwicklung in den USA der 1930er Jahre zurück. Die Wissenschaftler Fritz Roethlisberger und Mayo führten im Rahmen von Forschungen zur Leistungssteigerung Experimente in den Werken der Western Electric durch. Sie entdeckten, dass die beobachtete Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter stärker von der Aufmerksamkeit für die Mitarbeiter beeinflusst wurde als durch Änderungen der Arbeitsbedingungen.
Seit damals ist viel passiert! Verschiedene Methoden und Frameworks kamen und gingen. Einige davon blieben und wurden weiterentwickelt. Der Community Day des itSMF Deutschland e. V. zeigt auf eindrucksvolle Weise auf, wie verzahnt das moderne Veränderungsmanagement ist und das einzelne Segmente wie z.B. Krisenmanagement und Mediation viel zu kurz kommen in einer Welt die im Wandel begriffen ist. Eine, in der das hierarchische System wie wir es kennen längst als Auslaufmodell deklariert werden kann und muss. Der Gedanke, Wille und die Tatkraft zur Veränderung ist präsent. Es reicht nicht mehr aus, dass ein Vorgesetzter die Anweisung dazu gibt. Das gesamte Team muss mitgenommen und individuell abgeholt werden.
Wind of Change
Wie gehen wir mit Veränderungen um und wie führen wir durch den organisatorischen Wandel? Warum haben wir Angst vor der Veränderung? Da fallen schnell bekannte Leitsätze wie: „Schlimmer geht immer“, oder „Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach“ ein. Weg von VUCA und hin zu BANI (Brittle, Anxious, Nonlinear, Incomprehensable). Doch wie führt man Veränderungen kompetent durch? Warum scheitern so viele Veränderungsprojekte? – Meist, weil die Entscheidung hin zur Veränderung zu spät getroffen wird. Weil Veränderung nicht mit- und vorgelebt wird. Weil eigene Interessen im Vordergrund stehen, als die Gesamtinteressen im Blick zu haben und ein Ziel zu verfolgen. Ein klar definiertes und übergeordnetes Ziel ist der Schlüssel zum Erfolg. „Wir machen eine Veränderung, weil wir dies und jenes erreichen wollen“. Die „Energie“ um eine Veränderung durchzuführen ist begrenzt. Schnell hat man Enthusiasten, Innovatoren und Früheinsteiger an Bord, wir neigen jedoch dazu eher auf die Zauderer zu hören, vielleicht weil sie Ängste in uns triggern, die unterschwellig mitschwingen. Obwohl uns jede Veränderung durchschüttelt, lohnt sie. Mathias Traugott (Punctavista AG) führt auf eindrucksvoll souveräne Weise durch den ersten SLOT des Community Days. Gekonnt navigiert er durch die unterschiedlichen Phasen des menschlichen Verhaltens in einer Veränderungssituation, geht auf die fünf wesentlichen Schlüsselelemente ein und beantwortet in einer sehr interaktiven „Fragen & Antworten“ Runde die zahlreichen Fragen. Ein höchst gelungener Auftakt des Community Days.
Change-Stand Up
Michael Zwick (Blue Change Solutions) fängt den zweiten SLOT des Community Days mit einem Quadrat und einem Kreis an. Das Quadrat symbolisiert das „Jetzt“, der Kreis die „Zukunft“. Es entwickelt sich eine gänzlich interaktive Session in der die Personen eines Teams genau skizziert werden, Leitsätze erhalten und Attribute zugesprochen bekommen. Diese gilt es nun zu motivieren den Weg in die Zukunft, in die Veränderung hinein mitzugehen oder zumindest mitzutragen. Als bildliches Element wird hierzu die Geschichte von „Auswanderern“ im 19. Jahrhundert aus Europa nach Amerika zur Hand genommen. Der Kapitän und der Scout sind hierbei die Helfer, sozusagen die erfahrenen Veränderungsmanager in heutigen Projekten. Motivation ist hierbei ein Grundelement! „Das JETZT madig machen und die ZUKUNFT sexy“. Anders ausgedrückt: Die Erfolgsfaktoren müssen stimmen. Eine gute Steigerung von IST hin zur Zukunft als gangbaren Weg.
Spätestens nach diesem wundervollen Vortrag ist klar, dass Veränderung viel mehr zwischenmenschliche, geradezu psychologische Elemente innehat als vermutet. Empathie, Begeisterungsfähigkeit und die Gabe Menschen abzuholen, zu motivieren und am Ball zu halten sind unerlässlich für ein erfolgreiches Unterfangen.
Dr. Why: Jeder nur ein Steak
Wichtig ist: „Wie bekomme ich heraus, wer die Early Adapter, die Late-Adapter und Zauderer sind?“ Willkommen beim Stakeholder Management! Stefan Krüll (K-Cons und 1. Vorsitzende des itSMF Deutschland e. V.) wirft in seinem kurzweiligen und visuellen, an „Dr. Who Protagonisten und Antagonisten“ angelehnten Beitrag einen sehr genauen und gleichzeitig leicht verständlichen Blick auf das Stakeholder Management. Durch eine gesteigerte Awareness ist das Change-Management an sich in den Fokus gerückt. Welches sind also die „Best Learnings“? Die meisten gescheiterten Projekte scheitern am Menschen, nicht an der Technik. Veränderungsmanagement muss wissen, wen es adressiert. Auch hier der Hinweis darauf, dass die verschiedenen Wünsche und Bedürfnisse der Beteiligten bekannt sein wollen, negative Einstellungen minimiert und positive Einstellungen verstärkt und genutzt für das Projekt genutzt werden können und sollen.
Betroffene, Beteiligte, Interessierte und vom Projekt und/oder dem Projektergebnis beeinflusste Personen nennt man Stakeholder. Hier unterscheidet man die Gruppe der internen Stakeholder (Projektsponsor, Eigentümer, Vorstände, Betriebsrat, Security, Legal, Anwender, CFOs, CIOs/CTOs) und die der externen Stakeholder (Kunden, Lieferanten, Gesetzgeber, Politik, Nachbarn, NGOs, Presse etc.). Doch gibt es da auch noch eine weitere Gruppe- „Vergessene Stakeholder“. Das beruhigende dabei: Die letzte Gruppe wird sich bemerkbar machen und kann dann noch immer mit einbezogen werden. Wie identifiziere ich aber die genannten Stakeholder? Hierzu helfen Umfragen, vergangene Projekte, Input durch Projektsponsoren und eine Analyse der Benutzer und Betroffenen. Nicht zu unterschätzen ist der altbewährte Flurfunk! Wenn die Stakeholder identifiziert sind, stellt sich die Frage wie die Ressourcen eingesetzt werden sollen. Bewährt hat sich eine Priorisierung durch eine Einfluss/Interesse Matrix, die dabei hilft Prioritäten gezielt zu setzen. In der Stakeholder-Typologie nach Mitchel, Angel & Wood (1997), gibt es 7 Bereiche die nach Macht, Legitimität und Dringlichkeit, sowie deren Schnittpunkte eingeteilt werden. Diese hilft bei einer genaueren Aufschlüsslung und gibt Ansätze dafür, wie- und wann man die einzelnen Stakeholder abholen kann und muss. Spannend zu erfahren, wie genau man die einzelnen Stakeholder, deren Ziele und Wünsche definieren- und durch eine Kraftfeldanalyse positiv nutzbar machen kann. Wie bei jedem erfolgreichen Projekt, ist auch hier die Kommunikation ein Schlüsselelement und unerlässlich. Einfluss, Interesse und Einstellungen ändern sich, ständiges Monitoren und Aktualisieren der ermittelten Informationen ist existenziell. Ein rundum gelungener und spannender Vortrag.
Mediation und Projektkrisen
Ein perfekter Anschluss an die vorherigen SLOTs war der Abschluss des Community Days im November durch Karin Wenzel (IT Consultant und Projektleiterin). Die Wirtschafts- und Onlinemediatorin weckt die Neugierde auf eine bessere Gesprächsmethodik und Konfliktmanagement. Was ist Mediation? Eine strukturierte, gesprächsbasierte Konfliktlösungsmethode, in der die streitenden Parteien unter der Moderation einer neutralen Person eine Lösung „selbst“ finden. Die Mediation setzt auf die Freiwilligkeit der Verhandelnden und einem vorhandenen Einigungswillen. Ein Mediator ist allparteilich und agiert in einem geschützten Raum nach einer klar definierten Struktur. Der itSMF veröffentlichte bereits 2011 ein Positionspapier zu „Anwendung von Mediation im IT Service Management“. Seit damals hat das Thema nichts an Aktualität eingebüßt. Projektkrisen entstehen typischer Weise aus schleichenden Prozessen heraus. Die Projektziele sind nicht mehr erreichbar, gewöhnliche Methoden zur Korrektur sind nicht mehr ausreichend, ein Gefühl von Resignation im Team breitet sich aus und der Auftraggeber glaubt nicht mehr an den Erfolg des Projekts. Nach Rahnenführer/Radin kann man eine „Checkliste Krise“ zur Einschätzung der Lage zur Hilfe nehmen. Was aber tun, wenn man festgestellt hat, dass ein Projekt in der Krise ist? Es kommt darauf an, ob eine sachliche Ursache zugrunde liegt oder ein persönlicher Konflikt. Hierbei kann die Mediation helfen einen neutralen Blick auf alle Schauplätze zu werfen und in Kleingruppen und/oder Geschäftsparteien und Projektteams eine Schlichtung zu ermöglichen. Der Grundsätzliche Erfolg einer Mediation legt die Frage nahe, warum man Mediation erst einsetzt, wenn es zu einer spürbaren Eskalation kommt und nicht schon zuvor? Ein frühes Entschärfen sich aufbauender persönlicher Konflikte ist erstrebenswert und zweckdienlich. Wenzel schlägt das Vorgehensmodell nach Glasl vor, dass nach Frühindikatoren, Schieflage und Projektkrise unterteilt. Mediation ist sicherlich kein Allheilmittel, kann aber sowohl in der Krise als auch vorbeugend wichtige Hilfestellungen leisten, die man annehmen sollte.
Die Frage, die sich im Rahmen des Community Days aufdrängt ist: Warum Projektleiter und Personen in Führungspositionen so begrenztes Wissen um die hintergründigen Mechanismen, die sowohl zur Veränderung als auch zum Krisenmanagement unerlässlich sind besitzen? In einer Welt, die sich im Wandel befindet, in der der Mensch an sich und in seiner Individualität in den Fokus rückt handelt es sich um eine Lücke die dringend geschlossen werden muss.
Der sechste Community Day des itSMF Deutschland e.V. war auch der letzte für dieses Jahr. Am letzten Mittwoch des Jahres, zwischen Weihnachten und Neujahr erheben wir unser Glas auf die vielen hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer der vergangenen Events, den Referentinnen und Referenten sowie den zahlreichen, fleißigen Menschen hinter den Kulissen und sagen: „Vielen Dank!“
Der nächste Community Day findet am Mittwoch, den 26. Januar 2022 zum Thema „Service & Sicherheit“ ab 15:00 Uhr statt. Lassen Sie sich dieses kostenlose Angebot des itSMF Deutschland e. V. nicht entgehen und merken Sie sich:
„Am letzten Mittwoch im Monat ist immer Community Day!“
Weitere Informationen über die „itSMF Community Days“ und das reichhaltige Angebot der größten deutschsprachigen ITSM Community finden Sie unter www.itsmf.de, sowie auf unseren Social Media Kanälen.
